_Was ist Streit?_

Wir streiten zu zweit oder in Gruppen, öffentlich und privat, als Gesellschaft, in der Politik und über Grenzen hinweg. Eine sachliche Diskussion kann dabei zum Konflikt werden. Aber ein Streit ist dann gut, wenn auch in hitzigen Debatten eine konstruktive Auseinandersetzung möglich ist. Grundsätzlich gilt: Faires Streiten hilft uns, unterschiedliche Interessen zu erkennen, abzuwägen und für diese einen Ausgleich zu finden.

Zitate

»Öffentliche Kontrolle und gegebenenfalls Kritik an Politikern ist in der Demokratie nicht nur berechtigt, sondern unerlässlich.«

Rita Süssmuth

»Schon, dass man Dinge anders sehen kann, ist ein wirklich wirksamer Hinweis darauf, dass sie auch wirklich anders sein könnten.«

Armin Nassehi

»Wenn man mir widerspricht, weckt man meine Aufmerksamkeit, nicht meinen Unwillen.«

Michel de Montaigne

»Gewalt beginnt da, wo Reden aufhört.«

Hannah Arendt

»Wut schlägt Wahrheit, Emotion schlägt Faktizität.«

Bernhard Pörksen

 

»Stellen Sie sich eine Kultur vor, in der der Streit als Tanz gesehen wird, die Streitenden als Performer und es das Ziel ist, so ausgeglichen und schön wie möglich zu tanzen.«

George Lakoff und Mark Johnson

»Menschen machen sich mehr Sorgen um Kritik als um die Verhältnisse, die kritisiert werden.«

Max Czollek

»Wer seine Geschichten nicht erzählen kann, existiert nicht.«

Salman Rushdie

»Wir können unterschiedlicher Meinung sein und uns dennoch lieben, es sei denn, Deine Meinung wurzelt in meiner Unterdrückung und Missachtung meines Menschseins und Existenzrechts.«

James Baldwin

»Der Streit ist wunderbar, herausfordernd, schmerzhaft, anstrengend, hoffnungsvoll, kränkend, sinnlich, still und leise, laut und brüllend,
kognitiv und emotional – und hört nie auf.«

Michel Friedman

»Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg. Deshalb gehört zu ihr der Respekt vor der Meinung des anderen.«

Richard von Weizsäcker

»Solange man selbst redet, erfährt man nichts.«

Marie von Ebner-Eschenbach

»Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen. Ihr Bezug sticht jedes andere Einkommen aus. Darum steht der Ruhm über der Macht, darum verblasst der Reichtum neben der Prominenz.«

Georg Franck

»Sobald der Dialog beginnt, wissen Sie, dass Sie Vorurteile abbauen.«

Harvey Milk

Den meisten Streit-Anlässen liegen bestimmte Konfliktarten zugrunde. Dabei ist es egal, ob es sich um einen privaten Streit oder eine gesellschaftliche Debatte handelt. Also worum geht es eigentlich?

Wir streiten über …

 

… DINGE

»Die Suppe ist leider versalzen. Ich hätte gern eine neue.«

Eine Kritik bezieht sich auf einen Gegenstand und ist prinzipiell sachlich und objektiv vorgetragen. Im Austausch über den Missstand lässt sich dieser Konflikt recht einfach lösen. Kritisiert ein:e Beteiligte:r allerdings die Persönlichkeit des Gegenübers, wird die Sachebene verlassen und der Konflikt komplexer.

 

… BEZIEHUNGEN

»Immer lässt Du die Zahnpastatube offen! Du bist so ein fauler Mensch!«

Zwischenmenschliche Konflikte sind schwer zu lösen, da meist Charaktereigenschaften oder die Persönlichkeit des Gegenübers angegriffen werden. Sie sind häufig geprägt von Vorurteilen, Unterstellungen, Verallgemeinerungen und einseitigem Denken.

 

… WAHRNEHMUNG

»Ich kann nicht verstehen, wie Du das schön finden kannst.«

Ein und dasselbe kann von unterschiedlichen Menschen komplett gegensätzlich wahrgenommen und bewertet werden. Dies führt zu Meinungsverschiedenheiten, die sich um Sprache, Mimik, Gestik oder auch die Frage nach Geschmack drehen können.

… ROLLEN, ERWARTUNGEN UND ZIELE

»Die verdienen so viel Geld und leisten gar nichts! Dafür habe ich die nicht gewählt!«

Je nach der Rolle, die ein Mensch oder eine Gruppe – privat wie öffentlich – ausfüllt, sind auch bestimmte Erwartungen an diese Rolle geknüpft. Werden diese Erwartungen nicht erfüllt oder unterschiedlich aufgefasst, kann es zum Streit kommen.

… RESSOURCEN UND VERTEILUNG

»Mein Bruder hat ein viel größeres Stück vom Kuchen bekommen, das ist unfair!«

Menschen benötigen Ressourcen wie Zeit, Geld oder Einfluss, um ihr Leben zu bestreiten. Stellen wir im Abgleich mit anderen fest, dass wir ungerecht behandelt oder strukturell benachteiligt werden, entsteht ein Konflikt. Dieses Gefühl kann innerhalb von Familien, zwischen gesellschaftlichen Gruppierungen oder unter Regierungen auftreten.

Wie ein Streit eskaliert

Jede Debatte, jeder Streit hat das Potenzial zu eskalieren. Das kann passieren, wenn die Konfliktparteien nicht mehr eine gemeinsame Lösung anstreben oder wenn die Sachebene verlassen und auf der Beziehungsebene weitergestritten wird – es wird persönlich und beleidigend.

1. Ebene – »win-win«: Noch können beide Parteien profitieren

Stufe 1 – Verhärtung

Eine alltägliche Meinungsverschiedenheit wird dann zum Konflikt, wenn sich die Positionen verhärten. Dies geschieht oft unbemerkt.

Stufe 2 – Polarisierung und Debatte

Es kommt zum handfesten Streit: Die Konfliktparteien erkennen nur noch ihre eigenen Argumente als richtig an, denken einseitig und setzen das Gegenüber unter Druck.

Stufe 3 – Taten statt Worte

Der Druck erhöht sich, während das gegenseitige Verständnis abnimmt. Anschweigen oder Gesprächsabbrüche verschärfen den Konflikt.

2. Ebene – »win-lose«: Es gibt Gewinner:innen und Verlierer:innen

Stufe 4 – Sorge um Image und Koalition

Es geht nicht länger um den Streitgegenstand, sondern darum, dass das Gegenüber verliert. Mit Unterstützer:innen wird versucht, dem Image des Gegenübers zu schaden.

Stufe 5 – Gesichtsverlust

Durch zum Beispiel Unterstellungen soll die andere Konfliktpartei grundlegend »zerstört« werden. Es gibt keinerlei Vertrauen und gemeinsamen moralischen Boden mehr.

Stufe 6 – Drohstrategien

Durch Drohungen und Machtdemonstrationen soll die absolute Kontrolle über den Streit erreicht werden. Drohungen werden ausgesprochen und bei Nichteinhalten sanktioniert (»Wenn Du nicht …, dann …!«).

3. Ebene – »lose-lose«: Es gibt nur noch Verlierer:innen

Stufe 7 – begrenzte Vernichtungsschläge

Sogar ein eigener Schaden wird in Kauf genommen, wenn der Schaden des Gegenübers dadurch größer ausfällt. Dafür sind alle Mittel recht.

Stufe 8 – Zersplitterung
Das gesamte Umfeld des Gegenübers soll zerstört werden.
Stufe 9 – gemeinsam in den Abgrund
Um das Gegenüber zu besiegen, wird die eigene Vernichtung in Kauf genommen.

Phasenmodell der Eskalation nach Friedrich Glasl (*1941)

Bastle Dir Deinen Dialogwürfel

_Streit in der Demokratie_

Braucht Demokratie den Streit?

Ja! Wir habe als demokratische Gemeinschaft die Chance, über gutes, zugewandtes Streiten Verständnis, Austausch und Annäherungen zu ermöglichen. Streit ist also sogar eine Demokratiekompetenz. Allerdings müssen wir dabei auf dem Boden des Grundgesetzes bleiben. Es ist also vollkommen in Ordnung, sich Auseinandersetzungen zu entziehen, die Deine oder die Identität anderer Menschen beleidigen oder gar bedrohen.

Beispiele aus der Ausstellung

Worüber debattiert der Bundestag?

Im Jahr 2019 feiert der Deutsche Bundestag sein 70-jähriges Bestehen. Seit 1949 hat das Parlament mehr als 200 Millionen Wörter gesprochen und über zahlreiche Themen gestritten. Welche Wörter innerhalb der Debatten der letzten sieben Jahrzehnte jeweils besonders häufig gefallen sind, kannst Du hier sehen. Weißt Du, welche Debatten sich dahinter verbergen?

Und welche Themen sollten Deiner Meinung nach die 2020er bestimmen?

1950er

Schuman-Plan, Außen­handels­fragen, Sowjet­zone, Saar­gebiet, Besatzungs­kosten

 

1960er

Mittel­stands­fragen, EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), Zolltarif, Fern­melde­wesen, Kennedy-Runde

 

1970er

Grund­vertrag, Konjunktur­zuschlag, Sozial­liberale, Guillaume, Vier­mächteabkommen

1980er

EG (Europäische Gemeinschaft), Umwelt­schutz, Nulllösung, Doppelbeschluss, SDI (Strategic Defense Initiative)

1990er

Treuhand­anstalt, Pflege­versicherung, Einigungs­vertrag, Kosovo, Trans­rapid

2000er

EU (Europäische Union), Ökosteuer, Bundes­agentur, Klima­schutz, Hartz

2010er

Internet, Mindest­lohn, Energie­wende, Soldatinnen, AfD-Fraktion

Quelle: Zeit Online

Warum und wofür streiken wir?

Spätestens seit der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts organisieren sich Arbeiter:innen in Gewerkschaften, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Es wird zwar immer wieder versucht, den »Arbeitskampf« zu verbieten, doch in Deutschland findet ein Recht auf Streik Einzug ins Grundgesetz. Dabei lassen sich finanzielle und politische Forderungen selten gänzlich trennen und sind auch immer Ausdruck des gesellschaftlichen Zeitgeists.

(Miss-)Erfolge in der Streikgeschichte

1873

Streik der Buchdrucker:innen

Mindestlohn, eine zehnstündige Arbeitszeit, Überstundenzuschläge und eine 14-tägige Kündigungsfrist

 

1889

Bergarbeiter:innenstreik

Trotz militärischer Niederschlagung erste Gewerkschaftsgründungen im Ruhrgebiet, bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen

 

1896/1897

Hamburger Hafenarbeiter:innenstreik

Niederlage der Streikenden nach elf Wochen, Aufschwung der Gewerkschaften

 

1918

Acht-Stunden-Tag

Erstmals gesetzliche Verpflichtung eines Acht-Stunden-Arbeitstags in Deutschland: »Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung«

1920

Generalstreik

Arbeitende und Beamt:innen streiken erfolgreich gegen konterrevolutionäre Feind:innen der Weimarer Republik

1933–1945

Streikverbot

Auflösung und Gleichschaltung der Gewerkschaften im Nationalsozialismus

1953

Arbeiter:innenaufstand

Streiks, Demonstrationen und Proteste in der Deutschen Demokratischen Republik für arbeitsrechtliche und politische Ziele – blutige Niederschlagung am 17. Juni

1956/1957

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Die schleswig-holsteinische Metallindustrie erstreitet sich eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

1974

Lohnerhöhung

Nach dreitägigem Streik im öffentlichen Dienst: 11% mehr Lohn, mindestens 170 DM

1984

35-Stunden-Woche

Metallarbeitende und Drucker:innen legen die Arbeit nieder und fordern eine 35-Stunden-Woche – erreicht werden die 38,5-Stunden-Woche und eine Arbeitszeitflexibilisierung

1990 

Mehr Erholung

Streik für Erholungszeiten bei der Deutschen Bundespost

2005 

Erzieher:innenstreik

Streik in Krippen und Kindergärten für mehr Gesundheitsschutz und bessere Arbeitsbedingungen

2015 

Längster Streik

Historische Streikdauer bei der Deutschen Post AG: 52 Tage

2017 

Pflegestreik

Bundesweiter Streik für bessere Arbeitsbedingungen und Personalausstattung

2021

Bahnstreik

Im Zuge der Coronapandemie Streiks im Güter- und Personenverkehr für bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung

_Was ist eigentlich Solidarität?_

Solidarität in der Krise

Am 27.09.2022 fand im Museum für Kommunikation Berlin, eine Diskussionsveranstaltung mit dem Titel “Solidarität in der Krise” statt.

Sie wurde in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte und Deutschlandfunk Kultur durchgeführt.

Es diskutierten:

      • Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte
      • Jule Specht, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Psychologie
      • Ali Yildirim, Initiative 19. Februar Hanau
      • Moderation: Christine Watty

Ein Mitschnitt der Veranstaltung wurde in der Sendung “Diskurs” im
Deutschlandfunk Kultur ausgestrahlt. Ihr könnt ihn euch hier anhören.

Der Comic zur Ausstellung

Zudem wurde die Veranstaltung von der renommierten Comic-Künstlerin Sheree Domingo begleitet und grafisch festgehalten. Aus ihren Entwürfen entsteht derzeit ein Comic für unsere Reihe Irgendwas mit Medien, der zu Beginn 2023 erscheinen wird.

© Sheree Domingo, 2022 /
Museumsstiftung Post und Telekommunikation;
Foto: Peter Boesang
© Sheree Domingo, 2022 /
Museumsstiftung Post und Telekommunikation;
Foto: Peter Boesang
© Sheree Domingo, 2022 /
Museumsstiftung Post und Telekommunikation;
Foto: Peter Boesang
© Sheree Domingo, 2022 /
Museumsstiftung Post und Telekommunikation;
Foto: Peter Boesang
© Sheree Domingo, 2022 /
Museumsstiftung Post und Telekommunikation;
Foto: Peter Boesang
© Sheree Domingo, 2022 /
Museumsstiftung Post und Telekommunikation;
Foto: Peter Boesang
© Sheree Domingo, 2022 /
Museumsstiftung Post und Telekommunikation;
Foto: Peter Boesang
© Sheree Domingo, 2022 /
Museumsstiftung Post und Telekommunikation;
Foto: Peter Boesang

AM ENDE DES STREITS …

… kann eine Versöhnung stehen. Was passiert bei Dir, wenn der Streit vorüber ist und Du Dich mit Deinem Gegenüber wieder verträgst?

Hier könnt Ihr Zeichnungen unserer Besucher:innen – kleine und große – sehen, die zeigen, wie ein Streit gut zu Ende gehen kann.

© Museumsstiftung Post und Telekommunikation
© Museumsstiftung Post und Telekommunikation
© Museumsstiftung Post und Telekommunikation
© Museumsstiftung Post und Telekommunikation
© Museumsstiftung Post und Telekommunikation
© Museumsstiftung Post und Telekommunikation
© Museumsstiftung Post und Telekommunikation
© Museumsstiftung Post und Telekommunikation
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner